2. Tour de Erneuerbar zeigte Vielfalt der Erneuerbaren Energien in der Region Tauber-Franken

Bio-, Solar-, Wasser- und Windkraft sowie Elektromobilität waren die Themen der zweiten Tour de Erneuerbar, die am 16.10.2022 bei traumhaftem Indian-Summer-Wetter stattfand. Knapp 40 wissbegierige TeilnehmerInnen, verteilt auf 16 Elektroautos, entführte Prof. Dr. Martina Klärle in die Welt der Erneuerbaren Energien.

Die Tour begann am Plusenergie-HOF8 in Schäftersheim, unter anderem Träger des Deutschen Nachhaltigkeitspreises und des Europäischen Solarpreises sowie Firmensitz der Klärle GmbH. Der HOF8 ist Musterbeispiel der Energiewende im Gebäudebestand. 81 kWp PV-Module, verteilt auf süd-, west- und ostausgerichtete Dachflächen versorgen sowohl die MitarbeiterInnen und Hofbewohner als auch die E-Car & Man-Sharing-Flotte der Smarten KARRE von morgens bis abends mit Sonnenstrom. Sechs Kleinwindwalzen auf dem Scheunenfirst produzieren Windstrom, auch wenn die Sonne nicht scheint und das Wasser des historischen Brunnens erzeugt über eine Wärmepumpe die Heizwärme. Zusätzlich dienen ein Stromspeicher und ein Wärmespeicher im Keller als Puffer.

Anschließend fuhr die Kolonne, vorbei an der Freiflächensolaranlage Schäftersheim, auf eine Anhöhe kurz vor Röttingen-Strüth, von der man einen einzigartigen Rundblick ins Taubertal hat und insgesamt 65 Windräder, eine Biogasanlage und mehrere Freiflächen-Photovoltaik-Anlagen erblicken kann. Laut Martina Klärle versorgen allein diese Windräder rund 220.000 Menschen mit regenerativem Strom. Damit leiste die Region Tauber-Franken einem riesigen Beitrag für die Energiewende und ist hierbei ein deutschlandweiter Vorreiter. Um das Potential der Windkraft hervorzuheben, rechnete Klärle vor, dass der private Strombedarf der gesamten Republik allein durch Windkraft gedeckt werden könne, wenn in Deutschland jede Kommune rechnerisch 1,5 Windräder auf ihrer Gemeindegebietsfläche hätte.

Dass zu einer ganzheitlichen Energiewende nicht nur der Ausbau der Erneuerbaren Energien gehöre, sondern auch der Ausbau der Verteilnetze, erörterte die Professorin am nächsten Etappenziel, dem Umspannwerk Main-Tauber Stalldorf. Das Werk wurde in den Jahren 2015 bis 2017 errichtet. Da der in der Region produzierte Strom aus Windkraft und Freiflächenphotovoltaik weit über dem Bedarf in der Region liegt, ist es die Aufgabe des Umspannwerks, den überschüssigen Strom aus dem 110-kV-Verteilnetz in das 380-kV-Übertragungsnetz der TransnetBW und damit auf die überregionale Transportnetzebene abzugeben. Weil die Energiewende weiter voranschreitet, gelte es laut Klärle nun, bestehende Leitungen auszubauen, um eine sichere Einspeisung und Abnahme der regional erzeugten Energie zu gewährleisten.

Beim nächsten Ziel der Route, der Freiflächenphotovoltaikanlage Riedenheim, erläuterte Martina Klärle exemplarisch, dass es im Hinblick auf den Flächenverbrauch zukünftig wichtig sei, eine Mehrfachnutzung von landwirtschaftlichen Flächen zu ermöglichen. Eine Fläche könne mehr, als ausschließlich der Stromproduktion zu dienen. Die aktuelle weltpolitische Situation zeige eindringlich, dass Deutschland neben einer eigenen Energieproduktion auch auf eine möglichst autarke Lebensmittelversorgung setzen sollte. Hühner- oder Schafhaltung unter einer PV-Anlage oder der Anbau von Sonderkulturen seien möglich und in der Kombination sowohl für den Anlagenbetreiber als auch für den Landwirt wirtschaftlich attraktiv. In Bezug auf die Solarenergie verkniff es sich Klärle allerdings nicht zu erwähnen, dass es eigentlich gar keine Solaranlagen auf landwirtschaftlichen Flächen benötige. Bereits vor Jahren hätte sie mit ihrem Forschungsprojekt SUN-AREA ausgerechnet, wonach eine 100%-ige Deckung des privaten Strombedarfs möglich wäre, wenn jedes vierte Hausdach in Deutschland über eine PV-Anlage verfüge.

Als nächstes Highlight der Tour wartete mit Friedhelm Preuss am Windpark Heide in Neubronn ein echter Pionier der Energiewende. Der Landwirt referierte über die Entstehungsgeschichte des inzwischen 16 Anlagen umfassenden Windparks. Die ersten Anlagen sind schon über 20 Jahre im Betrieb. Aktuell ist ein Repowering, also eine technische Erneuerung, geplant. Demnach sollen die drei ältesten und kleinsten Anlagen durch eine neue ersetzt werden. Der Clou: durch den technischen Fortschritt ist es möglich, durch die eine neue und höhere Anlage (4.200 kW Leistung) deutlich mehr Strom zu produzieren, als mit den drei alten Anlagen (2.500 kW Leistung) zusammen. Bezüglich einer sinnvollen Wiederverwendung der Altanlagen oder einzelner Komponenten werden derzeit Konzepte erarbeitet.

Auch mit Bezug auf den Windpark Heide ließ es sich Martina Klärle nicht nehmen, eine kurze Rechnung darzulegen. So würden die bestehenden 16 Anlagen mit einer durchschnittlichen Nennleistung von 2.000 kW bei 1.700 Volllaststunden im Jahr rund 36.000 Menschen mit Strom versorgen.

Nach Windkraft und Solarenergie darf natürlich auch die Biomasse in einem ganzheitlichen Energiemix nicht fehlen. Deshalb machte die Tour ihren nächsten Halt auf der Tauberhöhe in Weikersheim, wo die TeilnehmerInnen von den beiden Geschäftsführern der Bioenergie Tauberhöhe GmbH & Co. KG, Eberhard Ehrmann und Hans-Richard Haas, begrüßt wurden. Diese stellten die dortige Biogasanlage als sogenannte „NaWaRo-Anlage“ vor, in der ausschließlich nachwachsende Rohstoffe wie Zuckerrüben und Mais aus dem Umkreis von 6 km Verwendung finden. Eine Besonderheit der Anlage ist es, dass das entstehende Biogas hier nur teilweise verstromt wird, mehrheitlich aber in Biomethan umgewandelt und ins öffentliche Erdgasnetz eingespeist wird. Damit fungiert die Anlage als Gaslieferant aus der Region für die Region, dessen Bedeutung durch die aktuelle weltpolitische Situation sicherlich noch gewachsen ist. Den Teilnehmern wurde von den Betreibern dargelegt, dass die Energiewende auch eine Wärmewende darstellt und es ebenso wichtig ist, neben der Stromproduktion auch Anlagen zur regenerativen Gas- und Wärmeerzeugung zu betreiben.

Als Schlusspunkt der Rundreise wartete eine Premiere auf alle TeilnehmerInnen: eine Nachtführung in der Schäftersheimer Wasserkraftanlage. Nach einer kurzen Einführung in die Geschichte der Wasserkraft berichteten der Geschäftsführer Wolfgang Schneider-Schikorr und die beiden Gesellschafter Hans Hartung und Hanjörg Keyl über deren Vorteile gegenüber anderen Energieformen. Zwar ist die Stromproduktion deutlich niedriger als bei der Windkraft oder Photovoltaik, allerdings viel kalkulierbarer. Nahezu unabhängig von der Witterung erzeugt eine Wasserkraftanlage 365 Tage im Jahr verlässlich Energie. Selbst bei extrem niedrigem Wasserstand wie im diesjährigen Sommer blieben die Stromausbeuten weitestgehend konstant. Mit 240.000 kWh im Jahr werden in Schäftersheim immerhin rund 160 Personen mit Strom versorgt.

Voller Eindrücke und leidenschaftlicher Berichte der einzelnen Protagonisten und Pioniere der Energiewende endete die Tour bei einem Gläschen Wein im HOF8. Tauber-Franken ist Vorreiter der Energiewende. Mut, Tatendrang und Verantwortung sind hier seit Jahrzenten die Zutaten zum Gelingen einer nachhaltigen Energieversorgung.

Impressionen und Eindrücke von der 2. Tour de Erneuerbar (Bilder: Klärle GmbH)